Eva Otter: „Ich bin immer noch ich.“
„Ich bin ein Mensch, der nach vorne blickt – deshalb fällt es mir schwer, darüber zu sprechen, wie das damals war“, erklärt Eva Otter im Gespräch mit lebensfreude-lungenhochdruck.at. Die St. Pöltnerin, die seit 17 Jahren mit Lungenhochdruck lebt, konzentriert sich auf das, was möglich ist – zum Beispiel, für andere Betroffene ein offenes Ohr zu haben.
Eva Otter ist ein Familienmensch. Die 60jährige hilft ihrem 14jährigen Enkelsohn beim Lernen, ist gerne in der Natur, bessert gerade ihre Englischkenntnisse auf und interessiert sich für die Kräuterheilkunde. Außerdem engagiert sie sich bei PH Austria, Initiative Lungenhochdruck und ist auch im Vorstand der europäischen Dachorganisation PAH Europe. Wie hat sie es geschafft, mit der Diagnose umzugehen und trotz der Einschränkungen, die die Erkrankung mit sich bringt, ein aktives Leben zu führen?
Diagnose PAH
„Nach der Diagnose ‚unheilbar krank‘ hat es mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, erzählt sie. Damals war die medizinisch-technische-Assistentin 43 Jahre alt und leitete ein Nuklearmedizinisches Labor. Der Diagnose war eine Zeit der zunehmenden Erschöpfung vorausgegangen: „Das Einkaufssackerl war plötzlich zu schwer, Stufen hinaufzusteigen war zu anstrengend … ich hatte das Gefühl, 150 Prozent zu geben schaffte aber gerade so 60 Prozent“, erzählt sie. Die Erkrankung habe sich eingeschlichen, „… und wie das halt so ist, arrangiert man sich mit den Einschränkungen. Ich dachte, jetzt werde ich alt, jetzt kann ich nicht mehr so viel machen!“. Als sie sich von einer starken Erkältung nicht mehr erholte – sie hatte damals schon gut zehn Kilogramm abgenommen, litt unter ständiger Übelkeit und hatte Probleme, sich zu konzentrieren, war eine Kollegin, die sie auf die Probleme ansprach, schließlich ausschlaggebend für sie, einen Kardiologen aufzusuchen. „Ich saß ihm gegenüber und hoffte, dass er sagen würde: Es ist alles gut!“ Doch der Arzt überwies sie an das AKH Wien zur Abklärung. Einen Monat später war sie dort stationär und ließ alle notwendigen Untersuchungen über sich ergehen. Seit Juni 2003 lebt sie nun mit der Diagnose PAH – Pulmonal-Arterielle Hypertension.
Erkrankung als zweite Chance
„Anfangs lebte ich normal weiter, nahm meine Tabletten und ging zur Arbeit. Nach fünf Jahren war mir das nicht mehr möglich, ich war total erschöpft und brauchte fast ein Jahr, um wieder den Normalzustand zu erreichen.“ Damals war sie schon bei PH Austria aktiv. „Ausschlaggebend dafür war ein Meeting in Oberösterreich, das OÄ Regina Steringer-Mascherbauer organisiert hatte. Dort hielt unter anderen die Psychologin Birgit Wille-Wagner einen Vortrag“, erzählt sie. Ein Satz aus diesem Vortrag habe sie besonders beschäftigt: „Man kann die Krankheit als zweite Chance sehen …“. „Ich wollte immer mehr mit Menschen zu tun haben – im Labor hatte ich wenig Kontakte. Das war der Auslöser für mich, mich in der PH Austria zu engagieren. Ich machte eine Ausbildung zur Behindertenvertrauensperson und lernte Gerry Fischer, den Obmann von PH Austria – Initiative Lungenhochdruck, kennen. Er hat mir vermittelt: Es gibt noch etwas anderes als die Krankheit!“ Bei PH Austria organisiert Eva Otter Patiententreffen, engagiert sich in sozialen Belangen, macht das Magazin „Atemberaubend“ und betreut die WhatsApp-Gruppen, die regional für Betroffene zur Vernetzung und zum Austausch eingerichtet sind.
Fitter als vor 17 Jahren
In der Zeit nach der Diagnose hatte Eva Otter das Gefühl, ihr Körper wäre ihr fremd – sie konnte noch nicht damit umgehen. Ein Jahr danach hatte sich der Druck nicht verbessert, es kam eine Inhalationstherapie dazu. Davon waren die Lungen sieben Jahre später so angegriffen, dass sie einen Pulmologen im AKH Wien zu Rate zog. „Der änderte meine Medikation, die ich zusätzlich wegen meines allergischen Asthmas nehmen muss, und verschrieb mir zwei neue Tabletten. Auch die Medikamente für Lungenhochdruck wurden geändert … die nehme ich bis heute und es geht mir gut. Mit der richtigen Medikation und dem Bewusstsein, dass es Hilfe gibt, wenn ich ein Problem habe, habe ich meine Lebensqualität zurückgewonnen – ich fühle mich heute fitter als vor 17 Jahren. Ich bin kein Mensch, der sich bedauert. Natürlich gibt es Momente, wo ich mir denke: Ich würde gern …! Aber ich verschwende keinen Gedanken daran warum es mich getroffen hat.“ Zum Lungenhochdruck sei mit den Jahren noch ein Vorhofflimmern dazugekommen. „Ich habe immer Medikamente bei mir, die ich nehme, wenn es kritisch wird – das gibt mir Sicherheit!“ Abends beim Fernsehen und in der Nacht nehme sie oft zusätzlich Sauerstoff – das tue ihr gut und mache sie fitter. Ihrer Lebensfreude, ihrer positiven Grundeinstellung könne die Erkrankung nichts anhaben, sagt Eva Otter. „Ich habe das Glück, dass meine Familie mich versteht. Mein 14jähriger Enkelsohn weiß: Mit der Oma kann ich spielen, lernen, spazieren gehen, Spaß haben. Zum Bewegen und Austoben sind andere da.“
Wichtig: Weitergehen
Ihre Kraft und Zuversicht schöpft sie aus der Natur, der Bewegung, ihren Aufgaben bei PH Austria und dem Lernen: „Zurzeit beschäftige ich mich mit Kräutern und ihrer Wirkung, und ich frische meine Englischkenntnisse auf.“ Die braucht sie zum Beispiel bei den Treffen von PHA Europe in Barcelona, wo sie als Vorstandsmitglied regelmäßig dabei ist. Im Süden, am Meer fühlt sie sich wohl: „Das Klima, der Geruch, die Atmosphäre tun mir gut, da muss ich mir einen Alarm einrichten, damit ich meine Medikamente nicht vergesse, so gut geht es mir!“ Flugreisen bis zu drei Stunden seien kein Problem, wenn sie sie vorher mit dem Arzt abspreche. Neben der Familie tauscht sich Eva Otter auch mit einer Freundin aus, die klinische Psychologin ist: „Wir treffen uns regelmäßig bei Kuchen und Kaffee, reden über vieles. Die Gespräche mit ihr helfen mir meine Probleme aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten“.
Eva Otter ist eine Frau, die nicht nur andern Mut macht, sondern die positive Grundeinstellung auch selbst lebt: „Wichtig ist mir, nicht stehen zu bleiben und an mich zu glauben. Ich bin immer noch ich – und ich möchte mit der Erkrankung gut zurechtkommen, denn ich habe noch viel vor!“
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