Martina Penz: „Wenn man die Krankheit annimmt, hat man mehr Freude am Leben.“

„Hinfallen, aufstehen, weitergehen“ ist das Motto von Martina Penz, die seit ihrer Geburt immer wieder sehr schwierige Situationen meistern musste und sich davon nie unterkriegen ließ.

„Ein Interview? Sehr gern“, meint Martina Penz und schickt gleich einige Artikel, die Medien von ihr veröffentlicht haben. Die umtriebige Frau, die vor drei Wochen ihren einundvierzigsten Geburtstag feierte, hat viel zu erzählen: Zum Beispiel ist sie amtierende ÖBSV-Staatsmeisterin und Landesmeisterin im Tischtennis. „Im vergangenen Jahr gab es ja aufgrund von Corona leider nicht die Möglichkeit, den Titel zu verteidigen“, bedauert sie. Die Einschränkungen, die aufgrund der Pandemie notwendig sind, machen ihr zu schaffen. Denn sowohl das Tischtennis-Training als auch ihr zweites Hobby, das Schießtraining mit dem Luftdruckgewehr, sind schon seit einigen Monaten nicht mehr möglich. „Da verliert man schnell die Ausdauer und baut Muskeln ab.“

Martina Penz lebt aufgrund des so genannten Goldenhar-Syndroms seit ihrer Geburt mit Einschränkungen: Ihre linke Seite ist teilweise nicht voll ausgebildet – sie hat keine Ohrmuschel, ein blindes Auge, eine Gaumenspalte, ein verkürzter Arm und ein fehlender Finger, dazu ein Loch im Herz und ein Defekt an der Lunge … der Start ins Leben war für die Ennserin nicht einfach. Viele Krankenhausaufenthalte und Operationen waren notwendig, dazu kamen weitere Erkrankungen, wie die chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD), unter der sie schon seit ihrer Kindheit leidet.

Mobbing war die Hölle

Ihrer Mutter sei es immer wichtig gewesen, sie zu einem selbständigen, selbstbewussten Menschen zu erziehen: „Probier’s selbst, du schaffst das, hat sie immer gesagt. Erst wenn ich nicht mehr weiterkonnte, hat sie mir geholfen“, erzählt die tapfere Frau. Den Kindergarten und die Volksschule besuchte Martina in St. Isidor in der Nähe von Linz, wo nach dem Konzept der inklusiven Pädagogik unterrichtet wird. Beim Lernen habe sie sich leicht getan – sie müsse mehr gefordert werden, meinten die Lehrer. Deshalb wechselte sie nach der Volksschule in die Hauptschule in Enns. „Das war die Hölle auf Erden“, erzählt sie. Sie sei von den Klassenkameraden gemobbt worden und psychisch am Boden gewesen.

Trotz der guten schulischen Leistungen war sie deshalb nicht bereit, nach den vier schrecklichen Hauptschuljahren eine weiterführende Schule zu besuchen. Sie machte sich auf die Suche nach einer Lehrstelle – ohne Erfolg. Schließlich besuchte sie eine integrative Handelsschule mit Internat in Wien, wo Mobbing kein Thema war, sie sich wohlfühlte und Freunde fand, mit denen sie teilweise immer noch in engem Kontakt ist.

Mit ihrer besten Freundin aus dieser Zeit, die in Salzburg lebt, hat sie schon einige Reisen nach Griechenland, Ägypten sowie einige Städtereisen nach Deutschland unternommen.

Wieder eine Krankheit …

Als sie 2004 – zwei Jahre nach einer Lungen-Operation – die Diagnose „Lungenhochdruck“ erhielt, habe sie anfangs gar nicht realisiert, was das bedeute. „Ich habe mir gedacht – aha, wieder eine Krankheit, und habe das einfach hingenommen“, erzählt sie. Anfangs habe sie „nur“ Tabletten und einen Spray gebraucht. „Erst nach ein paar Jahren habe ich mich damit befasst, habe recherchiert und war sehr erschrocken, was diese Diagnose bedeutet. Ich bin dann aber zu dem Schluss gekommen: Wenn ich bis jetzt alles geschafft habe, dann schaffe ich auch das!“ Seit 2014 lebt sie mit implantierter Pumpe, die die notwendigen Medikamente abgibt. Alle vier Wochen muss sie ins Krankenhaus nach Linz, wo die Pumpe nachgefüllt wird. „Mit diesen Medikamenten lebe ich ganz gut“, sagt sie.

Mobil und voll Tatendrang

Martina Penz hat einen 40-Stunden-Job in der Finanzverwaltung der Gemeinde, zur Arbeit, die nur 400 Meter von ihrer Wohnung entfernt ist, fährt sie meist mit dem e-Scooter. Im Rucksack führt sie immer Sauerstoff mit, denn die zwei Stockwerke zu Fuß zu ihrem Büro würde sie ohne nicht schaffen. Neben dem Fulltime-Job hat sie sogar noch die Berufsreifeprüfung absolviert. „Zum Tischtennis kam ich, weil ich neben der Arbeit noch etwas anderes machen wollte“, erzählt sie. So trainiert sie – wenn nicht gerade eine Ausnahmesituation aufgrund der Pandemie herrscht – zweimal die Woche im BSV BBRZ in Linz. Ihr Führerschein, den sie alle fünf Jahre erneuern lassen muss, ist ihr wichtig, „… denn wie soll ich denn sonst zum Training kommen?“

Hinfallen, aufstehen, weitergehen

Ist Mobbing in der Arbeit ein Thema? „Manchmal schon. Das muss man hinnehmen“, sagt sie. Einige Kolleginnen und Kollegen würden aber auch bewundern, wie sie mit ihren Erkrankungen umgehe. „Mein Motto ist: hinfallen, aufstehen, weitergehen!“ sagt sie. Stärkung erfahre sie durch die enge Beziehung zu ihrer Patchwork-Familie – einer Schwester, drei Brüdern und ihrer Mutter, die in ihrer Nähe wohnen. Bei ihrer Wohnung habe sie sich ganz bewusst für ein Angebot des „Betreubaren Wohnens“ entschieden: „Vorausschauend, falls ich das einmal brauche.“

Als sie im Herbst an Corona erkrankte, war die Nähe ihrer Familie eine große Beruhigung und Hilfe – eine Betreuung durch das „Betreubare Wohnen“ war damals aufgrund der Corona-Situation nicht möglich. Die Erkrankung hat sie trotz ihrer Grunderkrankungen gut überstanden und musste nicht ins Krankenhaus.

Walken? Zu langweilig …

Mit ihrem pulmonalen Hochdruck ist sie von Beginn an bei OÄ Dr. Regina Steringer-Mascherbauer am Ordensklinikum, Krankenhaus der Elisabethinen Linz, in Behandlung. Auch die Angebote der von der Ärztin ins Leben gerufene Initiative „Lebensfreude mit Lungenhochdruck“ hat sie bereits wahrgenommen: „Ich war ein paarmal mit im Kellertheater, das hat mir sehr gefallen! Jetzt warte ich, bis ein Kochkurs zustande kommt. Nur Walken ist ehrlich gesagt der einzige Sport, der mich wirklich nicht interessiert – das ist mir zu langweilig“, meint sie. Was sie einem Menschen sagen würde, der mit einer schweren Diagnose konfrontiert ist? „Schwierig…“ meint sie und denkt lange nach: „Sei froh, dass die Krankheit entdeckt wurde. Man kann damit leben. Denk dran: Jeden Tag geht’s einen Schritt vorwärts. Und du bist nicht allein – es gibt Hilfe, wenn du sie brauchst!“ Vorbild möchte sie keines sein, denn es sei wichtig, dass jeder selbst entscheide, was er annehme und was nicht, betont sie. Fest stehe aber: „Wenn man die Krankheit annimmt, hat man viel mehr Freude im Leben!“

Das Positive sehen

Und es gebe auch immer wieder etwas Positives, ergänzt sie und zeigt auf ihre Ohrprothese und das Cochlea-Implantat, das sie seit zwei Jahren hat: „Man ist draufgekommen, dass ich ein funktionierendes Innenohr habe – so kann ich mit dem Implantat nun hören. Es macht unglaublichen Spaß, wenn man auch auf der linken Seite hört, wie jemand seine Schokolade auspackt und das Papier raschelt …“.

Bevor wir das online-Interview beenden, schwenkt Martina Penz ihren Laptop herum, sodass die vielen Pokale zu sehen sind, die sie am Kasten aufgestellt hat: „Im Schlafzimmer habe ich auch noch welche“, lacht sie, „alle 19 hätten im Wohnzimmer nicht Platz!“

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Martina Penz bei der Tischtennis-Staatsmeisterschaft 2019

Bei der Tischtennis-Staatsmeisterschaft 2019

Martina Penz mit ihrer besten Freundin Daniela

Best friends: Martina und Daniela

Martina Penz und ihre Schwester Christina

Die Familie gibt ihr Halt: Martina mit ihrer Schwester Christina.

alle Fotos (c) privat