Wolfgang Ortner: „Komödie ist eine Therapie!“

Schon fast ein Jahr lang konnte im Linzer Kellertheater aufgrund der Pandemie keine Vorstellung mehr stattfinden. Im Gespräch mit  www.lebensfreude-lungenhochdruck.at erzählt Kellertheater-Chef Wolfgang Ortner, wie es ihm mit dieser Situation geht, warum Online-Events das Theater niemals ersetzen können und was er mit dem Theater bewirken möchte.

Herr Ortner, die letzte Vorstellung im Kellertheater hat am 11. März 2020 stattgefunden, im Herbst gab’s einige wenige Aufführungen von Boeing Boeing im Corona-Ausweichquartier im Neuen Rathaus, bevor wir mit dem nächsten Lockdown konfrontiert waren. Wie geht es Ihnen in dieser Situation?

Naja … finanziell ist es so, dass die Unterstützung für die Kulturtreibenden halbwegs funktioniert. Dazu kommen die laufenden Subventionen von Stadt und Land. Das reicht, um zuversichtlich zu sein, dass wir wieder aufsperren können. Unser Vorteil ist, dass wir jederzeit wieder mit „Boeing Boeing“ starten können. Denn interessanterweise merkt man sich den Text, kann ihn sofort wieder abrufen, so lange das Stück am Spielplan steht. Für Herbst ist wieder eine Neuproduktion geplant.  Wenn’s dann immer noch nicht möglich ist, aufzusperren, dann gibt’s die Kultur eh nimmer….

Das Kellertheater produziert normalerweise eine Komödie im Jahr…

Seit ich das Theater 1990 von meinem Vater übernommen habe, hat sich das Kellertheater etabliert als DAS Boulevard-Theater in Linz. Wir sind ein Privattheater und müssen sehr genau auf die Finanzen schauen. Deshalb haben wir uns ganz bewusst für die Boulevardkomödie entschieden, das mögen die Menschen. Vom Dialog her ist die Komödie eines der schwierigsten Genres im Theater. Die Boulevardkomödie braucht einen geraden Umgangston, und das auf Geschwindigkeit. Eine pointierte, rasche Abfolge. Verwechslungen, Irritationen, Geschwindigkeit … die Leichtigkeit ist in der Komödie das Schwierige. Die guten Boulevardschauspieler sind alle über 30 – ein Jungschauspieler bringt das nicht auf die Bühne. Wenn ich mir Otto Schenk ansehe oder Michael Niavarani … diese Leichtigkeit zwischen Kabarett und Komödie, das ist etwas ganz Besonderes.

Wie geht’s Ihnen persönlich derzeit? Geht Ihnen die Schauspielerei ab?

 Ich bin sehr oft in Inzersdorf, wo ich ein Haus habe. Dort kann ich mich zurückziehen, gehe in die Natur hinaus … ich bin sicher noch nie soviel mit dem Radl gefahren wie im vergangenen Jahr! Natürlich habe ich auch jetzt Organisationsarbeiten, aber das Büro ist ja heutzutage von überall aus machbar. Anfangs dachte ich: Wie können wir das überleben? Was mir hilft, ist der Gedanke, dass ich ja nicht der Einzige bin … es geht uns ja allen gleich.

Manche Kulturbetriebe versuchen es derzeit mit Online-Angeboten – ist das für das Kellertheater eine Option?

Soweit bin ich noch nicht. Das wird sicher irgendwann kommen. Mein jüngerer Sohn hat mich im Rahmen seiner Masterthesis befragt – er wollte auch wissen, ob ich glaube, dass es Schule machen wird, dass die Menschen Theater online konsumieren: Das glaube ich mit Sicherheit nicht! Weil die Kultur – egal ob Theater, Musical, Kabarett – für den Großteil der Menschen nach wie vor etwas Besonderes ist: Man kleidet sich besonders, geht zu zweit oder in einer größeren Gruppe hin, gibt dem Abend einen besonderen Rahmen: Vorher geht man essen oder trinkt Sekt oder Champagner …  das tut man nur bei besonderen Anlässen! Dann genießt man die Vorstellung, danach geht man vielleicht noch auf ein Achterl … Es ist etwas Besonderes, das wird immer so bleiben! Natürlich hat es seine Berechtigung, Theater via Internet oder Fernsehen zu konsumieren, wenn man krank ist oder Kinder zu beaufsichtigen hat.  Wir werden das sicher auch anbieten, zusätzlich. Aber solche Angebote werden den Besuch im Theater ganz sicher nicht ablösen.

Was wollen Sie im Theater bieten?

Ich möchte die Leute zwei Stunden lang vom Alltag wegziehen, sie ihre Probleme vergessen lassen. Ich möchte, dass sie nicht an die Nachrichten, an das Weltgeschehen denken. Dass sie abschalten und einen lustigen, unterhaltsamen Abend verbringen und dann wieder in die Welt hinausgehen.

Das Kellertheater hat ja schon zwei Sondervorstellungen für die Initiative Lebensfreude mit Lungenhochdruck gegeben – wie war die Stimmung?

Die Stimmung allein, wenn die Menschen hier hereinkommen, teilweise mit Sauerstoff … in diesem Moment vergessen sie das. Die Umgebung ist anders, sie sind gut gelaunt … das ist ein guter Tag für die Menschen. Daniel Pascal (Anm.: Schauspieler und Regisseur, u.a. auch am Linzer Landestheater und am Kellertheater) hat einmal gesagt: „Theater gehört eigentlich vom Arzt verschrieben.“ Und er hat recht – Komödie ist eine Therapie!

Das Publikum den Alltag vergessen lassen … kann ein Schauspieler diesen Anspruch bei jeder Vorstellung erfüllen?

Natürlich spiele ich sieben Vorstellungen die Woche nicht alle gleich. Aber das Adrenalin kommt, sobald man in die Rolle hineinspringt und auf die Bühne geht. Es macht Spaß, wenn man spürt: Jetzt bin ich eins mit dem Publikum! Wenn die Menschen reagieren, sich das Ganze dann steigert … das ist das Schöne! Auch dass man mit den Kollegen interagiert, auf der Bühne mal lachen muss … damit hat das Publikum die größte Freud‘!

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Wolfgang Ortner (c) Kellertheater

„Ich möchte die Leute zwei Stunden lang vom Alltag wegziehen, sie ihre Probleme vergessen lassen.“

Wolfgang Ortner